Ihr Lieben,
Matthias und ich haben Zuwachs. Ihr lest richtich, zUwAchs, nicht nAchwUchs. Er/sie heißt Otti. Manchmal auch Eddi. Wir wissen noch nicht, ob es ein Otto oder eine Ottilie, ein Edwin oder eine Edwina ist, denn Otti zeigt seine Schätze nicht gerne. Was wir von Otti sehen sind zwei goldige Knopfaugen, ein langes, schwarzes Näschen, manchmal vier effektive Pfoten und eine Menge Stacheln. Ja, richtig, wir haben einen Igel in Pflege genommen.
Nicht im geringsten ahnend, was auf uns zukommt, hat Matthias letzte Woche diesen kleinen Kerl, der tapfer um sein Auto herumlief, um sich am Straßenrand zu verstecken, aufgegabelt und mit nach Hause genommen. Er ist viel zu mager für den Winterschlaf und hatte außerdem eine Vielzahl von „Mitbewohnern“ bei sich, die wir tags darauf bei der Tierärztin ausquartieren ließen, und über deren Namen und Eigenschaften wir hier nicht näher reden wollen. Gell. Nachdem die Tierärztin dies also getan hatte, teilte sie uns ganz unverblümt mit, daß wir den Kleinen jetzt bis zum Frühjahr beherbergen und betüddeln müssen, weil er unter Artenschutz steht und überhaupt und sowieso. Ach ja, und ein paar Tage wegfahren, z. B. über Weihnachten, is nich. Tja. Da stehen wir nun. Und können nicht anders.
Ich muß mit nicht geringer Verlegenheit zugeben, daß Otti bei mir irgendwas ausgelöst hat, vielleicht weil er so niedlich ist, keine Ahnung. Instinkte sind stärker als der Ekel vor übel riechendem Durchfall und getrockneten Insekten, die Vitakraft® in einer ansprechenden Verpackung, die den Titel „Igelfutter“ trägt, sozusagen inkognito unters Volk bringt. Igel sind echte Schmutzfinken. Das hat uns auch Eric bestätigt, der so lieb war, uns anzurufen und alles über Igel und ihre unartigen Gewohnheiten zu erzählen, weil er das jüngst in der Schule gelernt hatte.
Zur Zeit haust Otti in zwei Umzugskartons, die wir mittels Papptunnel verbunden haben, damit er’s nicht sooooooooo eng hat, und die wir im Gästeklo und dem daran angrenzendem Windfang plaziert haben, denn Igel dürfen es nicht zu warm haben. So mit aufm Sofa liegen und Kuscheln is also nich. Da diese Behausung an sich zu klein ist, denn Igel wandern und klettern gerne, haben wir bei ebay einen riesigen (120x59x97cm !!!), zweistöckigen Kaninchenkäfig für die lächerliche Summe von 61,- € inkl. Versand ersteigert:
Quasi eine Maisonnette. Das Untergestell haben wir nicht mitbestellt, paßt nicht unter die Kellertreppe, dort soll Otti nämlich jetzt hin. Wir wissen noch nicht, ob es da klappt, denn Helena ist bekanntlich extrem neugierig und wer weiß, was sie sich einfallen läßt, um Otti und sein Heim zu inspizieren. Zumal er total gerne im Laub raschelt, das wir mit zerissenen Prospekten von Blödia und Prakticker, Baugraus und Realo ergänzen. Das ist ein Reizgeräusch für Katzen, denn es könnte ja auch eine Maus sein. Ansonsten haben Igel und Katzen offenbar nicht soviel Interesse aneinander. Naja, schaumama.
Bis dato geht es Otti ganz gut. Er futtert ordentlich unter großem Geschmatze. Er kackt, was das Zeug hält und uns sind tatsächlich die alten Zeitungen, die wir als Extrem-Sammler® und Faule-Hausfrau® trotz blauer Tonne bis dato angehäuft hatten, ausgegangen. Unser Nachbar hat uns – mitleidig lächelnd – ausgeholfen. Dat Mülltönneken reicht nun auch nicht mehr aus, aber Matthias Mutter ist so freundlich, uns einige Kapazitäten in den Tonnen auf ihrem Hof zur Verfügung zu stellen, so daß wir die ganze Scheiße jetzt nach Duisburg karren. Nee, an was man alles denken muß.
In diesen eineinhalb Wochen, in denen Otti jetzt bei uns ist, hat er schon 70 g zugenommen. Klingt wenig, aber man hat uns gesagt, daß Igel nicht mehr als 50 g pro Woche zunehmen dürfen, weil sie sonst Leberprobleme bekommen. (Warum nur habe ich das Gefühl, daß der Igel und ich etwas gemeinsam haben…) Da er jetzt etwa 460g wiegt und ein Kilo auf die Waage bringen soll, könnt Ihr Euch vorstellen, wie lange das dauern wird. Dieses Wochenende werde ich Otti einen Eintopf aus Poularde, Karotten und Haferflocken bereiten, den ich dann portionsweise einfrieren und jeden Abend – mit etwas „Igelfutter“ gewürzt – servieren kann. Aufgetaut natürlich. Dazu gibt’s einige Krümel Katzenfutter lose hingestreut, dann hat er etwas, das er die Nacht über suchen bzw. finden kann.
Otti ist ziemlich friedlich. Er beißt nicht, meckert nicht (auch nicht über’s Essen) und läuft auch nicht weg, wenn man ihn zwecks Reinigung seiner Behausung kurz ausquartieren muß. Stattdessen igelt er sich ein, wenn man ihn erschrickt oder anfaßt. Damit es nicht so piekst, ziehen wir Arbeitshandschuhe aus Leder an. Das ist ein echt süßer Anblick, man sieht dann nur noch seine Knopfaugen und das schwarze Näschen. Das Wort „einigeln“ hat für uns eine ganz neue Dimension angenommen. Im Grunde möchte man ja mit Otti die ganze Zeit spielen und kuscheln, aber das geht leider nicht. Nicht nur wegen der Stacheln, sondern weil er ein wildes Tier ist, auch wenn diese Titulierung mit seiner Erscheinung nicht ganz harmonisch einhergehen will. Wenn er uns also gar nicht mehr bedrohlich findet, dann könnte es für ihn im Frühjahr, wenn er wieder raus muß, problematisch werden. Und für uns auch. Mir wird jetzt schon ganz komisch, wenn ich daran denke. Denken wir also nicht daran.
Soviel zu den Neuig-el-ichkeiten. Sobald wir Bilder von Otti auf dem PC haben, werden wir sie schicken. Gell.